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Mutter setzt 500 Euro Kopfgeld für Krippenplatz aus

Ja, so wir Ihr jetzt schaut, habe ich wohl gestern morgen auch ausgesehen als ich die Leipziger Bildzeitung aufschlug. Da hat eine Mutter aus Leipzig bei Ebay eine Kleinanzeige reingesetzt: „Vielleicht hat jemand schon einen Krippenpatz sicher ab ca. Mai-Juni und braucht ihn nicht unbedingt und ist bereit ihn abzugeben für 500 Euro.“

Der erste Gedanke
Im ersten Moment dachte ich wirklich, dass das vielleicht ein Fake ist. Schließlich lebt die BILD von der Sensationslust und Skurilität der Leute. Doch dann las ich mir den Artikel bis zu Ende durch, schaute sogar auf Ebay-Kleinanzeigen und da fand ich auch glatt diese Anzeige. Nun verlinkt die Mutter in ihrer Annonce sogar auf beide erschienene Artikel in BILD und LVZ.

Unverständnis
Als ich den Artikel in der BILD zu Ende las, stand doch ganz zum Schluss noch eine Stellungnahme von Petra Supplies, zuständige Abteilungsleiterin im Jugendamt Leipzig auf Anfrage der Redaktion: „Ist die Suche bis vier Wochen vor Arbeitsaufnahme der Eltern nicht erfolgreich, bieten wir auch persönliche Gespräche an. Ich habe noch nie gehört, dass jemand arbeitslos wurde, weil es keine Betreuung für das Kind gibt.“ So, das lass ich jetzt mal kurz wirken …….. Es ist spannend, wie Realität und Wirklichkeit immer mal wieder auseinander liegen.

Hintergrund
In Leipzig gibt es ein zentrales Vergabeportal für Krippen- und Kindergartenplätze KIVAN. An sich ne gute Sache, laut befreundeten Familien und wenn man den Berichterstattungen in den Medien folgt, hat dieses System wohl seine Tücken. Beurteilen möchte ich dies hier aber nicht, schließlich hatte ich mit dem Portal noch keine Berührungen. Zweite Basisinformation: Gemäß der Kita-Bedarfsplanung der Stadt Leipzig und einer Nachricht der Stadt Leipzig erhalten durch die Neuschaffung neuer Einrichtungen 65 Prozent der Kinder ab vollendetem ersten Lebensjahr im Jahr 2011 eine Betreuung in Kita oder Tagespflege. Im Vergleich zu manch anderen Städten im Westen Deutschlands sind wir hier in Leipzig wirklich fortschrittlicher.

Zurück zum Fall
Monique Müller, die Mutter im o.g. Fall, findet nun keinen Betreuungsplatz für ihren Sohn und fürchtet natürlich ihren Job zu verlieren. Schließlich kann sie ohne die Beaufsichtigung ihres Kindes nicht ihrem Beruf nachgehen. Auch die zwischenzeitliche Unterbringung bei verschiedenen Tagesmüttern nichts – Kinder brauchen Kontinuität, einen geregelten Tagesablauf. Ich behaupte: nachvollziehbar. Unabhängig davon, dass die Frau heute nicht nur für Haus, Garten und Kinder da sein will, sondern sich auch selbst auf anderen (beruflichen) Ebenen verwirklichen will, ist es heute bei der Vielzahl der Familien unabdingbar, dass beide Elternteile arbeiten. Die Familie braucht das Gehalt von beiden.

Petra Supplies
Petra Supplies, zuständige Abteilungsleiterin im Jugendamt Leipzig, kann wirklich noch nicht selbst erlebt haben, dass aufgrund einer fehlenden Betreuung jemand seinen Job verloren hat. Das kann sein, keine Frage. Aber die Aussage als solche, die damit verbunden ist und vor allem die Art und Weise, wie sie es gesagt hat, ist schon erschreckend und zeugt nicht von dem Feingefühl, dass sie als entsprechende Abteilungsleiterin haben sollte. Von diesem Kommentar abgesehen: 4 Wochen vor Arbeitsantritt nicht zu wissen, wo das eigene Kind aufgehoben ist, wenn man wieder arbeiten ist – das muss der Horror sein. Hier geht es um Kinder, Lebensgestaltungen und Existenzen.

Wie macht mans richtig?
Natürlich kann man nicht zu jedem Problem gleich die passende Lösung haben, auch Beamten und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst können nicht alles wissen oder sofort das Patentrezept haben. Vor allem nützt es nichts jetzt eine Vielzahl von Betreuungsplätzen zu schaffen, die evtl. nach fünf Jahren in ihrer deutlichen Vielzahl nicht mehr gebraucht werden. Diesen Bedarf entsprechend der Geburtenzahlen, deren Entwicklungen, Zuzüge, Wegzüge, Hochrechnungen und Statistiken zu bestimmen, ist schwierig. Welchen Weg soll man gehen? Keine Frage.

Die Gretchenfrage
Aber das dies eine Gretchenfrage ist, zeigen Bemühungen vieler Dax-Unternehmen, eigene Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu schaffen. Natürlich auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der schlichtwegen wirtschaftlichen Notwendigkeit Frauen als Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. Auch Bemühungen von Wohnungsunternehmen, hierzu gehören bspw. die WOGETRA eG Leipzig (Kooperation mit der AWO Leipzig-Stadt e.V., Integration einer Tagesmutter in Wohnanlage) oder die LIPSA eG Leipzig (Rosenthal-Terrassen mit integrierter KIndereinrichtung), ihren Mieten das Leben etwas zu erleichtern, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, zeigen, dass das Thema brisant ist. Brisanter denn je.

Mangelware Kita – wie der Platz zum Luxus wurde
… lautet der Artikel von Friederike Ebeling aus Mittweida. Und das hat mich dann wirklich umgehauen. Es werden Schmiergelder gezahlt, damit Familien an einen Betreuungsplatz in Leipzig rankommen. Ob wahr oder nicht – das kann ich nicht bezeugen, ich habe es nicht erlebt. Doch so viele Experten in Leipzig – Kujawa, Supplies – bestätigen es. Warum ist dieser Artikel in unseren Leipziger Medien nicht erschienen? Doch das die Situation brenzlig ist, ist augenscheinlich. Da sollte auch Petra Supplies die Augen nicht vor verschließen.

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